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Durchführung der Dauerversuchsfahrt

Volkswagen Prototypen Wagen I, II und III (1936)

50000 km Dauererprobung

Betriebsmittelverbrauch und Fahrleistungen

Abschlußurteil

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Ferry Porsche
Ferry Porsche vor der ersten "Käferschmiede" in 
Stuttgart, Feuerbacher Weg, 1993
 
Durchführung der Dauerversuchsfahrt
Am 12. Oktober 1936 begann eine Dauererprobung von drei Versuchsträgern des späteren Volkswagens, die über eine Distanz von 50.000 km führen sollte und die Schwachstellen der Konstruktion von Dr. Ferdinand Porsche, zu der er am 22. Juni 1934 beauftragt wurde, schonungslos aufdecken sollte. 
Der Auftraggeber dieser Versuchsfahrt war der Reichsverband der Automobilindustrie e.V., kurz R.D.A. Mit der Durchführung wurde wiederum das Konstruktionsbüro Dr. F. Porsche in Stuttgart betraut. Die wissenschaftliche Betreuung erfolgte durch die Forschungsanstalt für Kraftfahrwesen und Fahrzeugmotoren der Technischen Hochschule Stuttgart (FKFS). 

VW 30 Prototyp 1937
Einer von 30 Prototypen (VW 30) von 1937

Die Dauerversuchsfahrt sollte im Herbst und Winter 1936 absolviert werden, wobei man jedoch allzu schlechte Witterung (Schneefall) vermeiden wollte. Deshalb stand die Aktion unter einem enormen Zeitdruck, so daß die drei Prototypen mit der Bezeichnung VW 3 einen sehr unterschiedlichen technischen Stand hatten. Ein Fahrzeug hatte zuvor schon an einer Alpenfahrt über 2500 km teilgenommen. Am Wagen Nr. III waren schon Verbesserungen, z.B. an der Befestigung der Vorderachse und an der Karosserie vorgenommen worden, die sich erst in den späteren Prototypen (VW 30) wiederfinden. Die Karosserien der Wagen I und II bestanden noch aus einem beplankten Holzgerüst während nur Wagen III eine Ganzstahlkarosserie hatte.
 
Alle drei Prototypen (VW 3) liefen im Zweischichtbetrieb tagsüber auf zwei genau festgelegten Fahrtstrecken mit meistens zwei Mann Besatzung, und zwar

  • auf einer Autobahnstrecke zwischen Heidelberg und Bad Nauheim  (Länge 491 km inkl. Anfahrt von Stuttgart) und 
  • auf einer Landstraßen- und Bergstrecke im Schwarzwald (Länge 344 km, Kurs: Stuttgart-Pforzheim-Dobel-Baden-Baden-Freudenstadt-Horb-Stuttgart).
Ausgangspunkt und zugleich Werkstattbasis war das Anwesen der Familie Porsche in Stuttgart am Feuerbacher Weg. Hier wurden die Wagen oft in Nachtarbeit in einer kleinen Werkstatt gewartet, repariert, betankt und nach Defekten wieder fahrfertig gemacht. Größere Reparaturen, z. B. an der Karosserie konnten im Karosseriewerk der Firma Daimler-Benz in Sindelfingen erledigt werden. Die Firma Shell steuerte eigens eine Tankanlage bei, die auf dem Hof der Porsche Villa aufgestellt wurde.
 
Der Fahrbetrieb und die Dokumentation der Ergebnisse unterlag der Kontrolle von unabhängigen Beobachtern der Forschungsanstalt für Kraftfahrwesen und Fahrzeugmotoren der Technischen Hochschule Stuttgart sowie dem R.D.A. Die vierzehn Fahrer, die eine überaus anstrenge Arbeit zu erledigen hatten, da die Tagesetappen im Durchschnitt 750 km betrugen, wurden teils vom Konstruktionsbüro Dr. F. Porsche als auch von militärischen Einheiten aus Kornwestheim bei Stuttgart gestellt.
 
Nachdem jeder der drei Wagen die 50.000 km Laufleistung erreicht hatte, wurde ein Fazit der Erprobung gezogen und Verbesserungsvorschläge und eine allgemeine Beurteilung der Serienfähigkeit des späteren Volkswagens niedergeschrieben.
 
Volkswagen Prototypen Wagen I, II und III 1936
Die drei frühen Prototypen (VW 3) des späteren Volkswagens waren an den Vorgaben des R.D.A. von 1933 ausgerichtet. Die Zielvorgaben waren
  • Herstellkosten maximal 900 RM, Verkaufspreis 1200 RM (später 1000 RM)
  • Höchst- und zugleich Dauergeschwindigkeit etwa 80 km/h (später 100 km/h)
  • 4 Sitzplätze, zzgl. Gepäckraum
  • nach neuzeitlichen Grundsätzen konstruierter bequemer Kleinwagen
  • geschlossene Karrosserie
Das Konstruktionsbüro Dr. F. Porsche arbeitete seit 22. Juni 1934 im Auftrag des R.D.A. an diesem Kleinwagen. Pro Monat stand ein Budget von 20.000 RM zur Verfügung. Die zugestandene Frist für die Erstellung der drei Prototypen von zehn Monaten konnte nicht eingehalten werden. Ebenso waren die Herstellkosten der Fahrzeuge  mit den folgenden technischen Daten noch zu hoch.
 
Typ/Hersteller VW 3/Porsche Typ E 60
Länge x Breite x Höhe 3900 x 1500 x 1500 mm
Gewicht, Tank halb gefüllt, unbesetzt 610 kg
Gewichtsverteilung Vorder-/Hinterachse 41% zu 59%
4-Zyl. 4 Takt Boxermotor, Hubraum 985,2 cm³
Bohrung 70 mm
Hub 64 mm
Verdichtung 5,6
Max. Leistung bei 3000 1/min 17 kW / 23,5 PS
Max. Drehmoment bei 1800 1/min 63 Nm
Höchstdrehzahl 3200 1/min
Zündfolge 1-2-3-4
Vergaser Fallstrom 26 mm Solex oder Graetzin
Batterie, Generator 6V, 77 Ah; Bosch DE-6L
Übersetzung 1. Gang 3,20
Übersetzung 2. Gang 1,80
Übersetzung 3. Gang 1,25
Übersetzung 4. Gang 0,80
Rückwärtsgang 5,07
Achsübersetzung 4,423
Vorderachse (Einzelradaufhängung) Zwillings-Kurbelachse
Hinterachse (Einzelradaufhängung) Pendelachse mit Drehstabfederung
Anzahl der Schmierstellen 13
Bremsanlage mit Seilzug 4 Trommeln, Innenbackenbremse
Ges. Bremsfläche 408 cm²
Bereifung 4,50 - 16 Zoll
Felgen 3,00 D x 16 auch 4,50-16
cw-Wert 0,435
Radstand 2400 mm
Gewicht des Fahrgestells 350 kg
Anzahl der Sitzplätze 4
Lenkung Sonderspindel
Kraftstoffverbrauch 7,25 l/100 km
Ölverbrauch 1,5 l auf 1000 km
 
Drei Prototypen mit o.g. Spezifikationen wurden gebaut und einer 50.000 km währenden Dauererprobung unterzogen.
 

VW 30 Prototyp 1937
Verbesserter Prototyp V30 mit stehenden Scheinwerfern

 
50000 km Dauererprobung
Die Dauererprobung verlief nicht ohne Zwischenfälle und technische Defekte. Es wurden mehrere Unfälle gemeldet, die nicht ohne mehrtägige Stillstandszeiten und Reparaturen der Fahrzeuge blieben. Für die Rückholung stand der Firma Porsche ein Steyr-Daimler Lastkraftwagen zur Verfügung.

Unfälle:

Wagen I rutschte nach 45536 km auf eisglatter Straße gegen einen Lastwagen und beschädigte den vorderen linken Kotflügel und die Vorderachse.

Wagen II geriet nach einer Bremsung auf vereister Straße in den Graben (nach 46250 km). Der Fahrer versuchte einer Schafherde auszuweichen. Der Schaden war gering - eine verbogene Spurstange.

Auch Wagen ereilten mehrere Unfälle. Bei km 23216 prallte er mit der Vorderachse gegen einen Baumstumpf in der rechten Fahrspur. Die gerissenen Vorderachsrohre erzeugten ein Flattern der Vorderachse. Außerdem kollidierte der Wagen III mit einem falsch fahrenden anderen Pkw bei km 28919. Ein Kotflügel und ein Nebelscheinwerfer werden beschädigt.
Am gefährlichsten war wohl ein Zusammenstoß mit einem Hirsch bei 85 km/h auf der Autobahn bei Versuchs-km 33915. Dabei verzog sich die Vorderachse, der Rahmenkopf und die Karosserie wurden stark eingedrückt.

Außderm wird von einem Zusammenstoß mit einem 98 cm³ Leichtkraftrad berichtet.

Defekte:

Unfreiwillige Fahrtunterbrechungen durch Defekte von Bauteilen blieben nicht aus. Selbst kapitale Motorschäden und Materialbrüche, die an einem Serienfahrzeug nicht akzeptierbar gewesen wären, kamen vor. Hier eine kleine Auswahl:

  • Zweimaliger Bruch von geossenen Sulzer- und Krupp-Kurbelwellen,
  • Dauerbrüche von Pleuelstangen am Bolzenauge,
  • Verlust eines Hinterrades durch Bruch der Aufhängung,
  • Versagen des elektrischen Zubehörs, wie Scheibenwischermotor, elektrische Benzinpumpe, Scheinwerfer, Lichtmaschinenregler,
  • vorzeitiger Verschleiß des Keilriemens,
  • festsitzende Kolbenringe,
  • verbrannte Auslaßventile
  • Pleuel- und Hauptlager eingelaufen
Diese Mängel waren jedoch nicht konzeptbedingt und konnten durch eine andere Konstruktion oder bessere Werkstoffe, bzw. Fertigungsverfahren beseitigt werden. Als konzeptbedingte Nachteile wurden folgende Punkte aufgedeckt:
  • unzureichende Heizung und Entfrostung der Frontscheibe,
  • lautes Innengeräusch,
  • Flattern der Vorderräder
  • geringe Bremsleistung, schlechte Dosierbarkeit, einseitiges Ziehen.
Diese Mängel waren ursächlich durch das Konzept der Luftkühlung, der Achsrohre der Vorderachse, der Seilzugbremsen sowie auf den enormen Kostendruck zurückzuführen.

VW 30 Prototyp 1937
Prototyp V30 ohne Heckfenster (1937)

Betriebsmittelverbrauch und Fahrleistungen
Kraftstoffverbrauch über 50.000 km:
 
Wagen-Nr.
gesamt
l/100 km
Landstraße
l/100 km
Autobahn
l/100 km
I
8,1
8,3
7,7
II
7,8
8,2
7,2
III
7,4
7,8
6,8

Ölverbrauch über 50.000 km:
 

0,4 Liter pro 100 km

Fahrleistung der Reifen:
 

Fahrstil
Vordereifen
Hinterreifen
scharfe Fahrweise
32.000-35.000 km
24.000-27.000 km

Höchstgeschwindigkeit (Wagen III):
 

99 km/h

Beschleunigung (Wagen III):
 

Geschwindigkeit in km/h
erreicht nach
60
13 s
80
30 s
99
90 s
Bremswege auf trockener Fahrbahn:
 
aus km/h
Bremsweg in m
Verzögerung in m/s²
30
5
7,4
60
23
6,2
90
58
5,3
 
Abschlußurteil
Die Fahrtleitung des R.D.A. urteilte abschließend positiv, wie das Zitat zeigt.

"Die Bauart hat sich als zweckmäßig erwiesen. Die Versuchswagen haben sich im allgemeinen bewährt. Es sind ... Mängel aufgedeckt worden. ... alle sind ohne größere Schwierigkeiten beherrschbar. Vorderachse und Bremsen erfordern  ... noch eingehende Versuche.

Der Betriebsmittelverbrauch hält sich in befriedigenden Grenzen.

Die Fahrleistungen und Fahreigenschaften sind gut.

Das Fahrzeug hat Eigenschaften gezeigt, die eine Weiterentwicklung empfehlenswert erscheinen lassen."

Es wurde beschlossen, 30 weitere Prototypen unter seriennahen Produktionsbedingungen bei der Firma Daimler-Benz in Sindelfingen bauen und weiter erproben zu lassen. Diese Prototypen hatten die Bezeichnung VW 30 und wurden zu Testfahrten in ganz Deutschland eingesetzt. Unter diesen Fahrzeugen befand sich auch ein Kabriolett.
 
 

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Stand 28.10.1998